Zur aktuellen Situation: Das große Interview mit Thorsten Damm

Wie bereits berichtet geht der Fußball-Lockdown bis mindestens Ende Januar in eine erneute Verlängerung. Wir haben mit unserem Sportlichen Leiter Thorsten Damm ein ausführliches Interview zur aktuellen Situation  geführt:

 

Die Bund-Länder-Konferenz hat am Dienstag die Verlängerung des Lockdowns bis zum 31.01.21 beschlossen. Der Junioren- und Amateurfußball ruht also weiterhin. Wie bewertest Du diese Entscheidung und wie kann es weitergehen?

T. D.: Bei mir persönlich sind da Verstand und Herz unterschiedlicher Meinung. Der Verstand sagt, dass die Verlängerung erwartbar war und auch richtig ist. Das Herz sehnt sich aber nach (Fußball-) Alltag, möchte die Jungs auf dem Platz und gegen andere Oberligisten um Punkte spielen sehen.

In der aktuellen Phase ist es aber schwer, solch ein Statement überhaupt abzugeben. Oft scheinen die Meinungen von der sportlichen Situation abhängig zu sein. Man neigt also dazu, das Statement des Vereins mit der sportlichen Ambition und dem Tabellenbild abzugleichen. Wenn ein Verein beispielsweise möglichst früh wieder spielen und möglichst viele Spiele absolvieren möchte, so tendiert man zur Vermutung, dass der Verein durch eine Mehrzahl an Spielen sein sportliches Ziel eher zu erreichen vermag. Solche Statements sind also in gewisser Weise also auch taktisch geprägt.

Wenn ich jetzt also sage, wir tendieren zu einer einfachen Vorrunde, dann wird mir wahrscheinlich ebenfalls taktisches Vorgehen unterstellt, da unser Team bei diesem Konstrukt wohl „save“ wäre.

Ich sage daher ganz offen, am liebsten wäre es mir, wir könnten mit den Fingern schnippen, die Pandemie wäre vorbei und wir könnten den Spielbetrieb ganz normal fortsetzen. Aber das ist eben nicht realistisch.

 

Das weitere Spielkonstrukt in der Oberliga ist uns eine Nachfrage wert. Ist denn aus Deiner Sicht die vom Verband favorisierte Playoff / Playdown-Variante überhaupt noch realistisch? Der Amateurfußball wird ja sicherlich nicht der erste Bereich sein, bei dem es ab Februar wieder Lockerungen gibt.

T. D.: Ich sehe die Playoff / Playdown-Variante durchaus noch als realistisch an. Wer hätte denn im Sommer gedacht, dass wir nach dem Lockdown so schnell wieder auf den Platz konnten? Ich halte dieses Szenario also durchaus noch für möglich, man sollte den Oberliga-Restart Anfang März nicht bereits abschreiben.

 

Aber selbst dann ist das Virus noch nicht verschwunden, es kann immer wieder zu Spielausfällen und Team-Quarantänen kommen. Wäre denn die einfache Vorrunde als sicheres Konstrukt nicht die bessere Variante, ein wertbares Saisonergebnis zu erhalten?

T. D.: Ja, dieser Meinung kann ich mich durchaus anschließen. Aber da sind wir jetzt im Bereich der Spekulationen. Ich weiß, dass dieses Thema in der Liga sehr kontrovers gesehen wird. Wenn ich mich an die Videokonferenz Anfang Dezember erinnere, dort sprachen manche Clubs von einem „Boxing Day“. Ich bin da fast vom Glauben abgefallen, wir befanden uns damals am Beginn der 2. Corona-Welle. Die Streuung in der Meinung des weiteren Vorgehens ist in der Oberliga sehr hoch.

Ich persönlich und wir als Neckarsulmer Sport-Union tendieren aus rationalen Gründen in der Tat zum „Modell Sicherheit“, sprich die Oberliga in Form einer einfachen Vorrunde zu beenden. Weil wir hier die größte Chance sehen, dass die Saison gewertet werden kann. Eine weitere Spielzeit 2021/22 mit 21 Oberliga-Vereinen und großem Termindruck wäre nämlich eher nicht wünschenswert aus unserer Sicht.

 

Bewegen wir uns noch etwas weiter im Bereich der Spekulationen. Selbst wenn wieder gespielt wird, so erscheint es wenig realistisch, dass dies vor Zuschauern erfolgt. Wie siehst Du die Thematik „Geisterspiele“?

T. D.: Klar ist, wir befinden uns weiterhin in einer Ausnahmesituation. Der Wunsch vieler Vereine ist es verständlicherweise, so früh wie möglich wieder zu spielen und zwar vor Publikum. Man strebt hier nach sportlichem Erfolg sowie danach, Einnahmen zu generieren. Da sind wir dann aber bei der berühmten “eierlegenden Wollmilchsau”, die es bekanntlich nicht gibt. Ich persönlich denke daher, dass Geisterspiele durchaus zumutbar wären, wenngleich wir natürlich auch gerne unsere Fans und Zuschauer als 12. Mann im Rücken hätten. Die Corona-Pandemie ist allerdings kein Wunschkonzert.

 

Kommen wir zu den aktuellen Auswirkungen der Pandemie. Du hast bereits die wirtschaftliche Seite erwähnt. Aber auch in organisatorischer Hinsicht ist die Situation eine gefühlte Achterbahnfahrt. 

T. D.: Das ist in der Tat ein sehr vielschichtiges Thema. Natürlich ist die wirtschaftliche Seite ein wichtiger Punkt, wobei ich den Eindruck habe, dass hier alle Oberligisten seriös aufgestellt sind und es hoffentlich zu keinen größeren Schäden kommen wird.

Die organisatorische Seite ist zudem ein absolut komplexer Punkt. Aufgrund der Lockdown-Verlängerungen plant unser Trainer Marcel Busch gerade zum dritten Mal die Winter-Vorbereitung. Das ist ein immenser Aufwand.

Zudem gibt es auch eine psychologische Variante. Es geht darum, wie stelle ich die Mannschaft ein, wie fahre ich sie wieder hoch, dass sie möglichst schnell in den Wettkampf-Modus kommt, wenn es wieder losgeht. Um all diese Punkte kümmern wir uns derzeit sehr intensiv.

Man könnte jetzt natürlich sagen, wen interessiert der Fußball; das Hotel oder Restaurant um die Ecke haben ganz andere Probleme.  Doch das ist eben unser Kosmos und wir wollen einfach bestmöglich auf den Oberliga-Restart vorbereitet sein.

 

In dieser Woche waren zahlreiche Artikel in den Medien zu lesen, in denen von der Entfremdung der Fans vom Fußball zu lesen war. Hier war vor allem der Profifußball gemeint. Siehst Du diese emotionale Entfernung auch und bereitet sie Dir Sorgen?

T. D.: Für mich persönlich war die Fußball-Bundesliga gefühlt noch nie so weit weg wie aktuell. Und das ist schon interessant. Denn eigentlich erwartet man ja im Amateurfußball-Lockdown das Gegenteil. Mit dem Plus an Zeit müsste man sich ja eigentlich geradezu auf die Bundesliga stürzen. Doch das Gegenteil ist der Fall, das ist fast schon paradox.

Dass sich die Entfremdung langfristig auch in der Oberliga auswirkt, glaube ich allerdings nicht. Als Beispiel kann man den Schneefall der letzten Woche heranziehen. Der Drang rauszugehen war bei vielen Menschen scheinbar höher, als die Angst vor einer Ansteckung. In diesem Kontext, glaube ich auch, dass die Fans wieder zu Oberliga-Spielen kommen werden. Wichtig ist aber natürlich eine offizielle Erlaubnis der Politik. Das ist für die Menschen aus meiner Sicht wichtig, dann gehen Sie auch wieder ins Stadion.

 

Vielen Dank für dieses ausführliche Interview, Thorsten.