Vor dem VfB-Kracher: Ein Blick in die Vergangenheit anno 1964
Am kommenden Samstag erwarten wir den VfB Stuttgart II bei uns im Pichterichstadion (Anpfiff: 15:30). Ohne Zweifel ist diese Begegnung ein echtes Highlight dieser Oberliga-Saison für unser Team. Es ist allerdings nicht das erste Mal, dass sich unsere Sport-Union und die 2. Mannschaft des VfB Stuttgart in einem Punktspiel gegenüberstehen. Nein, bereits in den 60er Jahren duellierten sich die beiden Kontrahenten in Liga-Spielen. Und es kam dabei zu durchaus interessanten Kräftemessen zwischen der NSU und dem VfB II.
Mut macht uns vor allem die Begegnung vom 20.12.1964, also vor fast 55 Jahren. Die Konstellation vor jenem 17. Spieltag in der 1. Amateurliga war nämlich nahezu deckungsgleich mit der heutigen. Auf der einen Seite der VfB II, Meisterschaftskandidat Nummer eins, gespickt mit jungen Talenten und namhaften Topspielern. Auf der anderen Seite der Underdog aus Neckarsulm, der mit dem klaren Ziel „Klassenerhalt“ in die Saison ging. Bemerkenswert war die Spielklasse, in der sich die beiden Teams anno 1964 begegneten. Die 1. Amateurliga war damals die deutschlandweit dritthöchste Spielklasse. Unter anderem spielten dort zu jener Zeit Teams wie Union Böckingen, VfR Heilbronn, FC Heidenheim oder der SSV Ulm. Und eben die SV Neckarsulm, wie unser Club damals hieß, sowie der VfB II.
Das Wetter an jenem 20.12.1964 war eiskalt, doch das hochklassige Spiel auf dem Pichterich verlief heiß und voller Emotionen. Die Stuttgarter traten mit solch bekannten Akteuren wie Keeper Silbernagel, den Entenmann-Brüdern sowie Werner Haaga an. Irritiert hat uns allerdings, dass beim VfB auch ein Akteur namens Neupert auflief… diesen Namen hätten wir eher im Trikot unserer Neckarsulmer Helden vermutet.
Der geballten Stuttgarter Offensivpower stellte die NSU gestandene Akteure wie Kohse, Thullner, Kison, Heinemann und Torjäger Haberkern entgegen. Der haushohe Favorit hieß trotzdem VfB Stuttgart II, der mit nur einer Niederlage aus 16 Spielen mit deutlichem Abstand an der Tabellenspitze der 1. Amateurliga thronte.
Die NSU wählte gegen überraschte Stuttgarter eine Art Überfall-Taktik mit langen Bällen in die Spitze, mit denen die Gäste aus der Landeshauptstadt große Probleme hatten. Nach einem solchen langen Ball wusste sich die Defensive der Roten nur mit einem Foul am Neckarsulmer Mittelstürmer Riedel zu erwehren. Den fälligen Freistoß von der Strafraumgrenze verwandelte Haberkern in der 16. Minute zur umjubelten 1:0-Führung der Pichterich-Elf.
In der Folge wurde der VfB immer stärker, brachte seine spielerischen Vorteile ein. Doch die NSU tat das, was auch am kommenden Samstag notwendig sein wird. Sie kämpfte wie die Löwen. So schrieb die Heilbronner Stimme im damaligen Spielbericht: „Der unbändige Einsatz und Siegeswillen jedes einzelnen Neckarsulmers verdient alle Achtung.“
Die Führung der Pichterich-Elf hielt indes fast 70 Minuten, ehe dem VfB doch doch noch der Ausgleich durch den berühmten Willi Entenmann gelang.
Kurz vor dem Abpfiff schlugen dann die Emotionen hoch, im Mittelpunkt stand der Unparteiische Ferner aus Mannheim. Zunächst stellte der Referee den Neckarsulmer Haberkern wegen Reklamierens vom Platz, danach zeigte er dem Stuttgarter Erich Neupert wegen Nachschlagens die rote Karte. Der Unparteiische sorgte dafür, dass die Emotionen beider Fangruppen unter den 600 anwesenden Zuschauer hochkochten und rettete sich nur dank der besonnen agierenden Ordner vor drohenden tätlichen Angriffen. „Schiedsrichter Ferner traf Entscheidungen, die bei den erwartungsfrohen Zuschauer Kopfschütteln hervorriefen und die Volksseele zum Überkochen brachten“, beschrieb die Heilbronner Stimme die aufgeheizte Stimmung.
Am Ende blieb es beim verdienten 1:1-Remis, die NSU hatte damit in der Tat eine Riesen-Überraschung geschafft. Gegen eine ähnliche Konstellation nach dem Spiel am kommenden Samstag hätte sicher niemand im Neckarsulmer Lager etwas einzuwenden.