Jubiläums-Wochenende: 5 Jahre Oberliga-Aufstieg | 09: Erlebnisbericht: Mein unvergesslichster Aufstiegs-Moment
Was war eigentlich der unvergesslichste Moment unserer Meister-Saison 2015/16? Diese Frage ist gar nicht so leicht zu beantworten, weil jene Spielzeit tatsächlich für nahezu unzählige Neckarsulmer Highlights sorgte.
Denken wir nur an das Freundschaftsspiel vor voller Hütte gegen Bundesligist 1899 Hoffenheim, oder jenen wunderbaren Tag, als wir den WM-Pokal auf dem Pichterich zu Gast hatten. Dann waren da noch die drei Last-Minute-Siege, die bekanntlich im Sport die größten Emotionen auslösen. Nicht zu vergessen natürlich der finale Höhepunkt am allerletzten Spieltag gegen Göppingen, der als „Finale Grande“ in die Neckarsulmer Sporthistorie eingehen sollte. Der Rest ist bekannt, durch einen 4:1-Sieg stiegen wir damals in die Oberliga auf.
Er ereignete sich am 28.05.2016, eine Woche vor dem „Finale Grande“. Wir schrieben den vorletzten Spieltag der Verbandsliga-Saison 2015/16. Der Spielplan hielt für uns an jenem hochsommerlichen Samstag eine weitere Auswärtsreise bereit. Das Ziel hieß Oberschwaben, es ging ins rund 200 Kilometer entfernte Laupheim zum heimischen FV Olympia Laupheim e.V. 1904. Kleine Anekdote am Rande: Es war bislang das einzige Spiel einer Neckarsulmer Fußballmannschaft in einem „Olympiastadion“ – und schmuck war sie in der Tat, die „kleine“ Arena in Laupheim, deren Name sich nach großem Sport anhört.
Doch zurück zu jenem vorletzten Spieltag. Die Konstellation war spannungsgeladen: Der 1. Göppinger Sportverein 1895 e.V. führte die Verbandsliga-Tabelle mit einem Punkt Vorsprung vor unserer Sport-Union und deren vier vor dem Dritten TSV Essingen an. Die Vorgabe von Trainer Thorsten Damm und Sportdirektor Marco Merz an unsere Pichterich-Elf war also klar: Drei Punkte bei den abstiegsgefährdeten Laupheimer holen. Damit hätte man am letzten Spieltag das erhoffte „Finale dahoim“ gegen Göppingen erreicht und konnte am Saisonende zumindest nicht mehr vom zweiten Tabellenplatz, der zur Aufstiegs-Relegation berechtigte, verdrängt werden.
Das Spiel in Laupheim selbst verlief dann aus Neckarsulmer Sicht relativ zäh. Zwar war man gegen sehr motivierte Oberschwaben das bessere Team, Torchancen waren jedoch Mangelware. Die große Erlösung erfolgte dann in Minute 81: Steven Neupert verwandelte im Anschluss an eine Neckarsulmer Ecke zum umjubelten 1:0-Sieg für die Sport-Union.
Doch was dann im Anschluss an das Spiel passierte, das war in der Tat mein persönlich schönster Moment der Saison. Natürlich, der erste Blick nach dem Abpfiff und nach dem eigenen Sieg ging zum Aufstiegskonkurrenten und Tabellenführer Göppingen. Dieser hatte ein Heimspiel gegen den Lokalrivalen 1.FC Heiningen e.V. Die Heininger besaßen für einen Aufsteiger zwar eine durchaus starke Truppe, kämpften aber dennoch bis zuletzt gegen den direkten Wiederabstieg.
„Klare Sache für Göppingen“, war sich jeder Neckarsulmer eigentlich sicher. Doch dann kam eine erste Info von Marco Merz, die blitzschnell für gespenstische Ruhe in der Neckarsulmer Runde sorgte. Unser Sportdirektor hatte sich flugs auf seinem Smartphone den Liveticker vom Göppinger Spiel auf dem Portal „Fupa.net“ aufgerufen. „Heiningen führt 2:1!“, rief er enthusiastisch in die Runde seiner erschöpften Spieler und Funktionäre.
Plötzlich kam Bewegung in die müden Spielerbeine. In Sekundenschnelle bildete sich um Marco Merz ein Kreis von Spieler und Funktionären. Kein einziger verschwitzter Neckarsulmer Spieler ging bei den tropischen Temperaturen zum Duschen in die Kabine. Nein, allesamt schauten auf Marco Merz und warteten auf Neuigkeiten aus Göppingen. Ging hier tatsächlich noch was in punkto Tabellenführung für uns? Schafft Heiningen an der Hohenstaufenstraße allen Ernstes die Sensation?
Keeper Marcel Susser fragte: „Marco, das Spiel müsste doch jetzt auch vorbei sein, die haben doch zeitgleich mit uns angefangen.“ Da hatte er eigentlich Recht, unser Schlussmann. Doch nach und nach kamen für uns damals wirklich grausame Details des Spiels in Göppingen ans Licht. Während nämlich in Laupheim die gesamten 90 Minuten über herrlicher Sonnenschein bei Temperaturen um die 30 Grad herrschte, hatte es in Göppingen ein Unwetter mit Hagelschauer gegeben. Deswegen war die Partie Mitte der zweiten Halbzeit für rund 15 Minuten unterbrochen. Das hieß im Umkehrschluss, diese Viertelstunde gab es am Ende „on top“. Also 15 Minuten „Nachspielzeit“.
Die Neckarsulmer Spielertraube an der Laupheimer Ersatzbank vernahm es mit Grauen. „Oh nein“, stöhnte Mittelfeldstratege Ramazan Kandazoglu und schlug sich beide Hände vors Gesicht. Warten war angesagt. Langes Warten…
„Typisch Göppingen, die machen´s wieder in der Nachspielzeit“, orakelte ein Spieler. „Ja, die haben das Dusel gepachtet. Die gewinnen das Ding bestimmt noch“, sagte ein nächster. Trainer Thorsten Damm hingegen fragte: „Marco, wie lange spielen die noch?“
Gefühlt waren das mit die längsten 15 Minuten meines gesamten Lebens und ich glaube, das ging während dieser Neckarsulmer Rudelbildung nach dem Abpfiff nicht nur mir so. Diese Hilflosigkeit, nichts tun zu können und nur abzuwarten ist schon wirklich krass. Irgendwann, sprang Marco Merz dann in die Höhe und streckte den Arm nach oben, als wolle er nach Wolken greifen, die am strahlend blauen Himmel gar nicht vorhanden waren: „Jaaaaaaa! Aus! 2:2. Wir sind Tabellenführer.“
Im Anschluss fand im Oberschwäbischen dann direkt die zweite Siegesparty des Tages statt – die sich dann ziemlich schnell in Richtung Dusche verlagerte. Und sehr lang dauerte. Selbst Laupheims damaliger Trainer kam auf uns zu und gratulierte: „Jetzt macht das Ding aber auch nächste Woche!“
Diese 15 Minuten in Laupheim, diese Viertelstunde gemeinsamen Wartens auf das Göppinger Endergebnis ist und bleibt für mich unvergesslich. Ich habe selten einen solchen Zusammenhalt, eine solche Einheit empfunden, wie an jenem Nachmittag im Laupheimer Olympiastadion. Dieses Team, das wusste ich spätestens nach jenem Nachmittag, ist ein ganz besonderes. Eine Ausnahme-Mannschaft. Nicht nur wegen ihres Könnens auf dem grünen Rasen – nein, auch wegen ihres Zusammenhalts und ihrer Mentalität. Der Nachmittag von Laupheim hat demonstriert, dass der Neckarsulmer Kader nicht aus einfach nur 22 Spielern bestand, die halt gut kicken können. Nein, es war keine emotionslose Zweckgemeinschaft. Sondern ein Team, das diese Bezeichnung mehr als verdient hat. Ein Team, das diesen Oberliga-Aufstieg wollte – koste es, was es wolle.
Mir persönlich hat das gemeinsame Zusammensitzen nach dem Laupheim eine Dauer-Gänsehaut beschert. Damals, an jenem 28.05.2016 aber auch heute, und immer, wenn ich daran denke.
In der Saison 2015/16 hat das Daumendrücken allerdings nichts mehr gebracht. Heiningen stieg am Ende in die Landesliga ab. Und das, obwohl sie am Ende mehr Tore geschossen hatten, als wir, die Neckarsulmer Sport-Union – der Verbandsliga-Meister. Auch das ist eine kuriose Geschichte, die diese verrückte Saison geschrieben hat.